Eulenburg

Eulenburg
Eulenburg,
 
obersächsisches Uradelsgeschlecht, 1170 erstmals urkundlich erwähnt. Die Familie besaß im 12. Jahrhundert zunächst Burg, Herrschaft und Stadt Ileburg (heute Eilenburg) und dehnte in der Folge ihren Besitz in die Mark Meißen, nach Böhmen und in die Lausitz aus. Im 14. Jahrhundert nach Preußen übergesiedelt, erhielten die Eulenburgs im 15. Jahrhundert Lehen vom Deutschen Orden. 1709 wurde das Geschlecht in den preußischen Freiherrenstand, 1786 in den Grafenstand erhoben. Das Geschlecht spaltete sich in die Linien Prassen, Wicken, Gallingen (1945 erloschen) und Liebenberg; Letztere wurde 1900 nach der Namens- und Wappenvereinigung (1897) mit denen der Freiherren von und zu Hertefeld in den Fürstenstand erhoben. Bedeutende Vertreter:
 
 1) Botho Wend August Graf zu, preußischer Staatsmann, * Wicken (bei Bartenstein, Ostpreußen) 31. 7. 1831, ✝ Berlin 5. 11. 1912, Vetter von 3), Neffe von 2); war 1878-81 preußischer Innenminister, hatte maßgeblich Anteil an der Ausarbeitung des Sozialistengesetzes (1878). Als preußischer Ministerpräsident und Innenminister suchte er 1892-94 die Unterdrückung der sozialdemokratischen Bewegung fortzuführen. Als er mit dieser Politik scheiterte, wurde er entlassen.
 
 2) Friedrich Albrecht Graf zu, preußischer Diplomat und Staatsmann, * Königsberg (Pr) 29. 6. 1815, ✝ Berlin 2. 4. 1881, Onkel von 1) und 3); anfangs Verwaltungsjurist, dann Diplomat. Ab Dezember 1862 war Eulenburg Innenminister im Kabinett Bismarck. Während er im preußischen Verfassungskonflikt die liberale Opposition mit allen Mitteln, mitunter am Rande der Legalität, bekämpfte, setzte er sich für eine schonende Behandlung der 1866 annektierten preußischen Provinzen (u. a. Hannover) und eine liberale Verwaltungsreform ein; trat im März 1878 zurück, da er den neokonservativen Kampfkurs Bismarcks ablehnte. Eulenburg war 1866-77 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses.
 
 
G. Lange: Die Bedeutung des preuß. Innen-Min. F. A. Graf zu E. für die Entwicklung Preußens zum Rechtsstaat (1993).
 
 3) Philipp Fürst (seit 1900) zu Eulenburg und Hẹrtefeld, Graf von Sạndels, Diplomat, * Königsberg (Pr) 12. 2. 1847, ✝ Schloss Liebenberg (bei Templin) 17. 9. 1921, Vetter von 1), Neffe von 2); wandte sich nach Aufgabe der militärischen Laufbahn (Gardeoffizier) und nach dem Abschluss eines juristischen Studiums 1877 dem diplomatischen Dienst zu. 1881-88 war er Sekretär an der preußischen Gesandtschaft in München, 1894-1903 Botschafter in Wien. Durch seine engen persönlichen Beziehungen (seit 1886) zu Kaiser Wilhelm II. geriet er bald als einer von dessen engsten Vertrauten in eine politische Schlüsselstellung, die über den Rahmen seiner Dienststellung weit hinausreichte. Seine Vermittlungsversuche in der Krise zwischen Wilhelm II. und Bismarck vertieften die Kluft zwischen Kanzler und Kaiser und trugen, wenn auch indirekt, zum Sturz des Kanzlers bei. In der Folge suchte Eulenburg den von ihm gleichermaßen idealisierten wie auch kritisch beurteilten Kaiser in dessen Politik des »Neuen Kurses« zu bestärken. Zugleich fiel Eulenburg eine Vermittlerrolle zwischen dem Auswärtigen Amt und dem von verschiedenen Seiten (insbesondere durch Militärs) beratenen, zeitweise eigenwillig und unorthodox agierenden Monarchen zu, ohne aber Wilhelms Außenpolitik im Sinne des Auswärtigen Amtes beeinflussen zu können. Nach seinem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst wurde Eulenburg die Zentralfigur einer durch M. Harden in der politischen Wochenschrift »Die Zukunft« ausgelösten Affäre (Vorwurf der Homosexualität). Die folgenden Prozesse (Beleidigungsklage gegen Harden, Meineidsprozess gegen Eulenburg) trugen zur Klärung der Vorwürfe u. a. durch die dauernde Prozessunfähigkeit Eulenburgs wenig bei, erschütterten jedoch das Ansehen des Kaisers und kompromittierten weite Teile des Hofes. Nach Kriegsbeginn 1914 verfasste Eulenburg ein gegenüber der Außenpolitik des kaiserlichen Deutschland sehr kritisches Memorandum zur Kriegsschuldfrage.
 
Ausgabe: Philipp Eulenburgs politische Korrespondenz, herausgegeben von J. C. G. Röhl, 3 Bände (1976-83).
 
 
Zwei dt. Fürsten zur Kriegsschuldfrage. Lichnowsky u. E. und d. Ausbruch d. Ersten Weltkriegs, hg. v. J. C. G. Röhl (1971);
 J. C. G. Röhl: Kaiser, Hof u. Staat. Wilhelm II. u. die dt. Politik (1987).

Universal-Lexikon. 2012.

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